Why Yoga?

Als ich vor ungefähr 10 Jahren in Peru auf dem Weg zum Flughafen war (eine Lateinamerika-Geschichte, hier schreibt also Steffi), um wieder nach Hause zu fliegen, gab es eine sturzartige Regenflut, die zum Absacken eines Hügels führte - der wiederum die Hauptstraße zum Flughafen in einer Länge von 9 Kilometer mit Erde und Wasser unpassierbar machte.


Es war abends, mein Flug ging am nächsten Tag nachmittags, als wir an die Stelle mit dem abgerutschten Erdhügel kamen. Wir, eine Peruanerin, eine weitere Touristin und ich, hatten uns ein Taxi geteilt. Die andere Touristin stieg aus und meinte, sie werde die 9 Kilometer durch den Schlamm gehen, damit sie auf der anderen Seite schnell zum Flughafen kommen könnte. Die Peruanerin und der Taxifahrer rieten stark davon ab: Es werde gleich stockdunkel sein, die Straße sei nicht passierbar und wer wisse schon, ob nicht noch ein Erdrutsch komme…


Ich entschied mich, mit den beiden umzudrehen (tschüss, andere Touristin, die Richtung Sperrung ging - wie übrigens noch ein paar andere Touristen und wenige Peruanerinnen) und wir übernachteten in einem Dorf nahe des Erdrutsches, um uns am nächsten Morgen wieder auf den Weg zu machen. Der Taxifahrer versicherte mir, das sei die einzige Straße in die nächste größere Stadt in der Provinz - man werde die ganze Nacht daran arbeiten, die Straße wieder frei zu räumen.


Das kleine Dorf hatte nicht wirklich Hotels oder Hostels - sondern nur ein einziges Motel, das für Truckerfahrer war, die wirklich dringend schlafen mussten. Mein Zimmer hatte nur ein Fenster, und das ging zum Flur, in dem permanent Licht brannte. Die Vorhänge waren so dünn, dass es in meinem Zimmer immer hell war.


Aber natürlich hatte ich andere Probleme als das Licht. Und die Lautstärke - denn es schien, als wolle niemand hier wirklich schlafen. Was natürlich an dem Erdrutsch gelegen haben könnte. Es herrschte eine unglaubliche Geräuschkulisse aus Hupen der Trucks (wenn ein neuer ankam), Schnarchen, Quatschen, Musik aus Handies und Telefongesprächen.


Ich konnte eh nicht schlafen, ich sorgte mich. Ich wollte wissen, ob die Straße morgen wirklich wieder frei war, ob wir noch pünktlich am Flughafen ankommen würden, was passieren würde, wenn ich es nicht schaffte, würde die Fluggesellschaft mich umbuchen, musste ich einen neuen Flug buchen, hatte ich genug Geld auf meinem Konto für diesen Fall? Und noch vieles mehr.
Ich setzte mich auf die Matratze (der einzige Ort, an dem Platz war, um mich hinzusetzen, das Zimmer war kaum größer als das Bett), schloss die Augen und versuchte zu meditieren. Ich meditierte damals seit vielen Jahren und es hatte sich immer als hilfreich erwiesen - außer in Situationen wie diesen, in denen ich mich auf nichts konzentrieren konnte.


Denn die Gedanken rasten, ich konnte fühlen, wie jeder einzelne sich in eine Sorge und dann in eine Frage verwandelte - ich musste die Augen wieder öffnen, um nicht in meinen eigenen Gedanken unterzugehen. Es war nicht die erste Situation, in der ich merkte: No chance. An meditieren nicht zu denken.
Ich griff zu Stift und Zettel und begann, gegen all die Sorgen und Fragen in meinem Kopf Sätze aufzuschreiben: Ich bin sicher in diesem Zimmer. Hier ist es warm. Hier sind viele andere Menschen. Viele der Menschen sind in einer ähnlichen Situation wie ich. Ich habe genug zu essen. Ich habe genug Geld, um mir morgen etwas zu essen zu kaufen. Ich kann Spanisch und Englisch und kann morgen am Flughafen verhandeln, sollte ich meinen Flieger verpassen. Ich kenne Leute, die mir Geld leihen würden. Und so weiter und so fort.


Ich schrieb alles auf, was ich mir zur Beruhigung sagen konnte. In den frühen Morgenstunden schlief ich ein, in Gedanken die Sätze wiederholend, die ich immer wieder aufgeschrieben hatte. Natürlich war nicht alles gut dadurch - aber ich konnte die Augen schließen, ohne dass mich meine Gedanken als Geiseln nahmen.

In der Yoga-Philosophie nennt man dieses Wirren der Gedanken “chitta-vritti” - oft übersetzt als Bewegungen der eigenen Gedanken, die unseren Geist in Unruhe oder Stress bringen können. Das Yogasutra, der älteste Text, den wir über Yoga haben, schreibt, dass das Ziel des Yoga sei, die Gedanken zu beruhigen. Die Bewegungen des Geistes zu glätten - manche Übersetzer*innen schreiben auch: zu stoppen oder zu vernichten.
Dabei müssen wir uns immer wieder bewusst machen, in welcher Welt wir heute leben. Wir können in Situationen kommen, die uns bedrohlich erscheinen. Wir sehen auch: Dass uns und anderen auf dieser Welt Dinge passieren, die wir niemandem wünschen würden. Die brutal sind und schlimm. Dass wir Dinge sehen, die uns nicht kalt lassen - und mit denen wir vielleicht nicht “im klassischen Sinn” meditieren können oder wollen. Dem Ziel der Meditation können wir uns aber anders nähern.

Wenn mir das heute so geht, wenn ich Bilder aus der Ukraine sehe oder von untergegangenen Flüchtlingsboten, dann denke ich nicht nur an die Beruhigung meines eigenen Geistes - sondern auch an meine Handlungsfähigkeit: Was kann ich tun? Was liegt in meiner Möglichkeit? Meistens muss ich erst meinen eigenen Geist beruhigen, mich in Sicherheit wiegen (so gut das eben geht), um dann mich daran zu erinnern, dass ich nicht ohne Möglichkeiten bin. Dass ich Dinge tun kann.

Yoga war immer schon auch ein Weg des Handelns.

Und Yoga und seine Techniken können uns helfen, mehr (und auch wieder) ins Handeln zu kommen.

Die Geschichte, wie ich dann letztendlich zum Flughafen kam, ist zu lang, um sie hier zu erzählen. Aber abgekürzt: Unser Taxifahrer hat wohl nicht im gleichen Motel wie wir übernachtet und war am nächsten Morgen weder dort noch telefonisch zu erreichen. Glücklicherweise gab es aber einen Geldautomat am Motel und mit allem Geld, was ich an einem Tag abheben konnte, sicherte ich mir und der anderen Reisenden zwei neue Plätze in einem Mini-Bus. Und nach vielen weiteren Pannen und einem Dank an den Vierrad-Antrieb unseres Mini-Buses schafften wir es tatsächlich, vor meinem Abflug am Flughafen zu sein. Rückblickend also: Alles gut gegangen. Und tatsächlich haben meine Sicherheits-Sätze mich bis zum Schluss begleitet und mir geholfen, zu handeln, wenn ich konnte.

Wie immer bieten wir Yoga, Meditation und Pranayama an. Kommt in unsere Klassen & Workshops und seid motiviert, ins Handeln zu kommen <3

Love, Steffi & Dani

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Eine Ode an die Gemeinschaft

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